Schmidbauer im FuZo Interview

Franz Schmidbauer, ein Richter aus Salzburg dessen Meinung zum IP- Thema ich sehr schätze, gibt der fuzo ein Interview.

http://futurezone.orf.at/stories/1502953/

Inhaltlich bietet das Interview für aufmerksame Leser meines Blogs zu dem Thema nicht viel Neues.

Zitat:
ORF.at: Die Unterhaltungsindustrie beziffert den ihr durch The Pirate Bay entstandenen Schaden mit mehr als zehn Millionen Euro und setzt ihre Schadenersatzforderungen de facto mit entgangenen Musikverkäufen gleich. Sind solche Berechnungen Ihrer Meinung nach seriös?

Schmidbauer: Diese Berechnungen sind völlig aus der Luft gegriffen. Solche Summen dienen auch der Einschüchterung. Je höher der Streitwert, desto teurer ist der Prozess, da die Prozesskosten in vielen Fällen auf Basis des Streitwerts errechnet werden. Das führt auch dazu, dass sich manche Leute den Rechtsstreit gar nicht mehr leisten können.

Was den Schaden an sich betrifft, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Inhalte immer schon kopiert wurden. Musik wurde auch früher nicht nur gekauft, sondern vor allem auf Kassetten aufgenommen oder auf CDs gebrannt. Als Privatkopie war das auch immer legal. Das ist heute nicht anders. Dazu kommt, dass das Medienangebot für Jugendliche heute viel größer ist. Jugendliche beschäftigen sich mit dem Internet, Computerspielen und Handys und geben dafür auch sehr viel Geld aus, so dass für Musik nicht mehr viel übrig bleibt.

Neben dem Medienbudget der Jugendlichen gibt es aber auch weitere Gründe für den Rückgang des Musikverkaufs. Etwa das unattraktive Angebot und die Probleme, die sich aus dem Kopierschutz ergeben. Ich habe in meinem Aufsatz versucht, die möglichen Gründe für den Rückgang umfassend darzustellen und auch die positiven Seiten der Tauschbörsen aufzuzeigen. Da wird dann sehr schnell deutlich, dass die Gleichung "Download ist gleich entgangener CD-Verkauf" blanker Nonsens ist und nicht einmal ansatzweise stimmt.


Zitat:
ORF.at: Auf der Website zur Aktion "Ideen sind etwas wert", die von österreichischen Musik- und Filmwirtschaftsverbänden betrieben wird und seit einigen Jahren Schulen Unterrichtsmaterialien zum Thema Urheberrecht anbietet, wird die Sängerin Christina Stürmer mit dem Satz "Illegaler Download ist Diebstahl" zitiert. Wie beurteilen Sie als Richter so eine Aussage?

Schmidbauer: Juristisch gesehen ist das Unsinn. Es wird von der Musikindustrie immer wieder versucht, eine Vervielfältigung eines Musikstückes als illegal zu brandmarken. Letztendlich ist ja der "illegale Download", der meiner Meinung nach nicht illegal ist (siehe Begründung im Aufsatz), nichts anderes als das Aufnehmen vom Radio. Der Download darf allerdings nur zu privaten Zwecken erfolgen und nicht zum Zweck einer neuerlichen Veröffentlichung.

Bei den Tauschbörsen gibt es allerdings das Problem, dass die Musik meist gleichzeitig wieder angeboten wird. Da komme ich in den Bereich, wo es gefährlich wird. Da geht es um die Freigabe des öffentlichen Ordners für Musik im Internet - der Upload ist illegal und nach dem österreichischen bestehenden österreichischen Urheberrecht eindeutig strafbar. Darüber wird auch nicht gestritten.

Ein solcher Vervielfältigungsvorgang kann aber auch dann, wenn er nach dem Gesetz nicht zulässig ist, niemals als Diebstahl angesehen werden, weil nichts weggenommen wird. Ein Diebstahl ist laut Strafgesetz "die Wegnahme einer beweglichen Sache, mit dem Vorsatz, sich zu bereichern". Beim Download von Musik wird niemanden etwas weggenommen, da das kopierte Musikstück ja weiterhin verfügbar ist. Begriffe wie "Diebstahl geistigen Eigentums" oder "Raubkopie" sind psychologische Kunstgriffe, um Tauschbörsennutzer in den Bereich der schweren Kriminalität zu hieven. Im nächsten Satz wird das dann meist noch mit Kinderpornografie und organisiertem Verbrechen in Verbindung gebracht. Auf diesem Niveau kann man nicht mehr diskutieren.


Zitat:
ORF.at: Die Nutzungsrechte der Konsumenten an urheberrechtlich geschützten Inhalten wurden in den vergangenen Jahren zunehmend eingeschränkt.

Schmidbauer: Die Einschränkungen betreffen vor allem die Privatkopie. Zwar dürfen Musik, Fillme und andere Inhalte für private Zwecken immer noch kopiert werden, dabei darf jedoch kein Kopierschutz umgangen werden. Mit diesem Verbot, das im Paragraf 90c Urheberrechtsgesetz geregelt wurde, und der Tendenz der Medienindustrie Kopierschutz zu forcieren, wurde de facto die Privatkopie in gewissen Bereichen abgeschafft. Das ist sowohl bei Musik und Filmen als auch bei Computerspielen ein Problem.

Nehmen wir zum Beispiel Blu-ray-Discs, wo der Kopierschutz das Abspielen der Filme so erschwert, dass der Konsument letztlich frustriert davon die Finger lässt. Ich habe das ausprobiert und habe so lange Probleme gehabt, bis ich ein Crack-Tool verwendet habe. Erst dann konnte ich den Film am PC abspielen. Es ging mir nicht ums Kopieren, ich wollten die Blu-ray-Disc nur abspielen können, und genau das hat aufgrund des unsinnigen HDCP-Kopierschutzes, der zudem jede Menge Ressourcen verschlingt, nicht funktioniert.

Na, ich hoffe das ist schon verjährt.
Zitat:
ORF.at: Ist bei solchen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit zu den Delikten noch gegeben?

Schmidbauer: Die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen im Hinblick auf den gewünschten Erfolg - der Begriff stammt aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - ist spätestens seit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Gleichgewicht geraten. Diese hat zu einem Paradigemenwechsel geführt. Davor war es einfach undenkbar, dass ohne Vorliegen eines schweren Deliktes in einem solchen Ausmaß in die Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz aller eingegriffen wird.


Zitat:
Eine Lösung, die ich persönlich für gut halte, ist die Flatrate, bei der auf Internet-Zugänge, sei es volumensabhängig oder pauschal - eine Abgabe aufgeschlagen wird. Man müsste nur darauf achten, dass das Geld bei den Kreativen landet und nicht bei der Medienindustrie versickert. Selbst wenn ein Polizeistaat geschaffen würde, könnte das Kopieren nicht völlig verhindert werden. Dazu gibt es mittlerweile zu viele Möglichkeiten. Die Urheberrechtsindustrie wird im Kampf um ihre Pfründe immer hinterherzockeln und all die Maßnahmen, die Freiheiten und Grundrechte einschränken, werden letztlich nicht den gewünschten Effekt bringen. Diese Einschränkungen sind aber eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Demokratie und deswegen muss man diesen Bestrebungen entschieden entgegen treten.


Hier der neueste Aufsatz von Schmidbauer zum Thema:
http://www.internet4jurists.at/news/aktuell97.htm

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