Volker Grassmuck in der FuZo über die Kulturflatrate

http://futurezone.orf.at/stories/1502234/

Die FuZo greift das Thema Kulturflatrate mal wieder auf.
Zitat:
Rund um die "Kultur-Flatrate" gibt es seit Jahren heftige Debatten. Gegner sprechen von einer kollektiven Enteignung der Rechteinhaber und warnen vor einer neuen Steuer. Befürworter sehen in der monatlichen Gebühr, deren Höhe zwischen einem und zehn Euro liegen könnte, die Möglichkeit, den Tausch urheberrechtlich geschützter Inhalte im Netz zu legalisieren und gleichzeitig den Urhebern ihren Anteil zu sichern.

Diesmal gibt es ein Interview mit Volker Grassmuck (Medienwissenschaftler, Autor und Veranstalter der Konferenz Wizards of OS).

Zitat:
Grassmuck: Sei zehn Jahren wird versucht, den Tausch von urheberrechtlich geschützten Inhalten in Filesharing-Netzwerken einzudämmen. Es wurden verschiedene Lösungen versucht, die alle inakzeptabel sind, weil sie in die Privatsphäre eingreifen, weil sie datenschutzrechtlich problematisch sind, und weil sie mit Strafverfolgungsmaßnahmen auf einer massenhaften Ebene arbeiten und damit das Rechtssystem missbrauchen.

Das "Olivennes-Abkommen", das in Frankreich gerade zu einem Gesetz zu werden droht, will Leute, die wiederholt Urheberrechtsverletzungen begehen, sogar für ein Jahr komplett aus dem Internet ausschließen. Eine andere Lösung, die seit mehreren Jahren diskutiert wird, ist eben die "Kultur-Flatrate". Sie ist keine revolutionäre Neuerung, sondern knüpft an das bewährte System der Privatkopieschranke (Die Privatkopieschranke erlaubt es, Kopien von Werken für den privaten Gebrauch anzufertigen, Anm.) an und folgt dessen Logik. Was ohnehin passiert, und was nicht verhindert werden kann, muss zugelassen und vergütet werden. Nur so bekommen auch die Urheber ihren Anteil am Austausch.
Zitat:
Grassmuck: Die Einführung der "Kultur-Flatrate" ist bisher am Widerstand der Verwertungsindustrie gescheitert. Die Verwerter möchten Kontrolle über die Vermarktung von Werken haben. Ein ganz wichtiger Grund ist auch, dass sie kontrollieren möchten, wie viel von den Einnahmen tatsächlich an die Kreativen ausgezahlt wird. Die Verträge sind häufig so gestaltet, dass die bei der Online-Nutzung leer ausgehen. Mit einer "Kultur-Flatrate", die über eine kollektive Rechtewahrnehmung verwaltet würde, ginge das nicht. Da geht mindestens die Hälfte an die Kreativen und die andere Hälfte an die Verwerter. Die Kreativen bekommen von den Einnahmen für die Privatkopie ihren Anteil, und das wäre bei der "Kultur-Flatrate" auch so. Das möchte aber die Verwertungsindustrie nicht. Das ist der Hauptgrund für den massiven Widerstand.
Zitat:
Grassmuck: Es werden Zahlen zwischen einem und zehn Euro pro Nutzer und Monat diskutiert. Alle einigermaßen realistischen Berechnungen zeigen, dass es keine irrsinnige Summe braucht, um Kreative angemessen zu vergüten. Eingesammelt sollte das Geld naheliegenderweise beim Internet Service Provider (ISP) werden.
Zitat:
ORF.at: Kritiker meinen, dass von einer "Kultur-Flatrate" vor allem die Pornoindustrie profitieren würde, deren Produkte in Filesharing-Netzwerken stark nachgefragt werden.

Grassmuck: Wenn Pornografie in Tauschbörsen hoch- und runtergeladen wird, wer sollte dann sagen, das ist nicht Teil unserer Kultur? Es ist sicherlich notwendig, den Jugendschutz in geeigneter Form sicherzustellen. Für die Vergütung spielt das aber keine Rolle.

Ein eher dümmlicher Kritikpunkt. Ich finde zwar nicht, dass Pornos besonders kulturell sind, aber Urheberrecht ist drauf und wenn sie gesaugt werden, dann haben Pornoher- und -darstellerInnen genauso ein Recht auf Vergütung wie die RIAA.

Auch zu technischen Fragen, wie zB wie weiß man, was runtergeladen wird, ohne die Privatsphäre zu verletzen, wie verhinder ich, dass Künstler dauernd ihre eigenen Lieder saugen etc. gibt es antworten, die ich hier nicht wiedergeben will. Es ist klar, dass all diese Probleme technisch lösbar sind, aber zunächst muss einmal eine Akzeptanz auch auf höheren Ebenen (sprich Politik und Industrie, Gleichheitssatz olé) hergestellt werden - die durchschnittlichen Internetnutzer sind, da bin ich mir sicher, sowieso dafür.

Zitat:
Es wird sicherlich Leute treffen, die überhaupt keine Tauschbörsen nutzen. Die haben aber einen indirekten Vorteil. Durch eine "Kultur-Flatrate" würde das Angebot an Musik reichhaltiger werden. [...] Es bleibt natürlich immer noch ein Rest an Leuten, die diese Inhalte überhaupt nicht nutzen. Aber dieser Rest ist jeder Pauschale inhärent.

Da kann man dann wohl nichts machen, aber bei einem Betrag von sagen wir mal unter 3€ pro Breitbandanschluss ist das ruhigen Gewissens vertretbar. (Breitbandanschlüssen haben bedürftige Personen normalerweise nicht.)

Zitat:
ORF.at: Die Unterhaltungsindustrie lehnt eine verpflichtende "Kultur-Flatrate" ab. Sie warnt vor der Kannibalisierung bestehender Angebote.

Grassmuck: Wenn diese Logik stimmen würde, hätte es den Apple iTunes Store nie gegeben. Online-Tauschbörsen gibt es seit 1999. Der iTunes Store ist erst vier Jahre später entstanden und ist heute das Vorzeigemodell für einen funktionierenden kommerziellen Download-Betrieb. Die Tauschbörsennutzung findet ohnehin statt. Alle Versuche, sie zurückzudrängen, sind gescheitert. Der Wechsel, der hier stattfinden soll, ist der von einer Tauschbörsennutzung ohne Vergütung hin zu einer Tauschbörsennutzung mit Vergütung.

Tauschbörsen würden so auch zu einem Markt, und die Verwerter hätten Anreize, ihre Angebote zu bewerben, damit sie häufiger heruntergeladen werden und damit einen größeren Anteil aus der Ausschüttung der Gelder bekommen. Davon abgesehen, weisen viele Indizien darauf hin, dass es auch weiterhin kommerzielle Download-Angebote geben wird, von anderen kommerziellen Nutzungsformen einmal ganz abgesehen.
Zitat:
Grassmuck: Auf der Isle of Man wird derzeit an einem solchen Modell gearbeitet. Das könnte noch in diesem Jahr realisiert werden. Wenn das Eis erst einmal gebrochen ist und erkannt wird, dass Geld dabei herauskommt, dann könnte es ganz schnell gehen. Diskutiert wird die "Kultur-Flatrate" ohnehin schon überall. Der Druck ist da.


Isle of Man! Da sitzen allerdings sicher keine großen Plattenfirmen. Die sind natürlich die, die am meisten verlieren. Einerseits wie schon weiter oben von Grassmuck erklärt, andrerseits auch dadurch, dass so unbekannte KünstlerInnen (wie es in eingeschränkten Maß ja jetzt schon der Fall ist dank Youtube und Co) auch kommerzielle Erfolge feiern könnten, ohne dass sie einen Plattenvertrag haben - oder brauchen.

PS: Das erinnert mich an diesen Userfriendly.

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