Mein Stempellied - Erlebnisse als Arbeitsloser und Bezirksanwalt
Sommer 2007 war ich 2 Monate arbeitslos.
Zwar habe ich einen Monat davon eine Sommeruni gemacht, die Diss fertig geschrieben, tw die Wohnung renoviert etc etc, trotzdem fiel es mir nicht leicht, das mit dem Arbeitslos- Sein, einfach so wegzustecken.
Drum schrieb ich. Tw auch, um etwas meine Zeit als Bezirksanwalt (BA) Revue passieren zu lassen.
So, und alle die sich das antun wollen, können das jetzt hier im Folgenden nachlesen:
Der Beschuldigte wirkte verärgert. Er machte nicht den Eindruck, als ob ihn dieser Strafprozess besonders interessiere, er störte ihn nur in seinem gewohnten Tagesablauf und war daher einfach nur ein Ärgernis.
Wer also denkt, die meisten Beschuldigten im gerichtlichen Strafprozess würden schuldbewusst wirken, wenn sie auf der Beschuldigten- Bank Platz nähmen, hat nicht viele Strafprozesse, vor allem nicht beim Bezirksgericht, gesehen.
Sicherlich, manchen tut es leid, dass sie ihre Frau verdroschen haben odgl. Wirklich, so richtig schuldbewusst erlebte ich in meiner Zeit als Vertreter der Anklagebehörde aber nur Lehrerinnen, die beim Abbiegen alte Damen am Zebrastreifen niederstießen.
Der Beschuldigte, nennen wir ihn von nun an Herr K., also...
Jetzt denken Sie vielleicht, wieso müssen wir ihn Herr K. nennen, ist das eine Anspielung auf Kafka? Ja, das ist richtig, es soll eine Anspielung auf Kafka sein, aber eigentlich geht es ja darum, obwohl so ein Strafprozess öffentlich ist, hingehen tut ja doch nie irgendwer, außer Poly- Klassen in den letzten Schulwochen. Deswegen werden die Beschuldigten natürlich hier nicht namentlich genannt. Herr K. ist sich selbst schon im Weg genug, da muss man ihn nicht auch noch sonstwie rufschädigen. Das tut man nicht. Und als Jurist weiß ich auch, dass das Folgen für mich haben könnte.
Herr K. war also einer derjenigen Beschuldigten im Strafprozess, die sich keiner Schuld bewusst waren. Man, oder eigentlich ich, als Bezirksanwalt, somit als Vertreter der Staatsanwaltschaft, warf ihm vor, die Einrichtung eines AMS- Büros zertrümmert zu haben. Das war relativ unproblematisch, es hatten Zeugen gesehen und Herr K. machte auch keinerlei Anstalten das Ganze zu leugnen.
Verlassen wir aber kurz Herrn K. und kehren zu den Polyklassen zurück. In Wien scheint es nicht unüblich zu sein, dass in den letzten Schulwochen eines Schuljahres die Polyklassen zu den Bezirksgerichten gehen und bei Prozessen zusehen. Das finde ich eine sehr gute Sache, ich finde jede Schulklasse sollte mal einen richtigen Strafprozess, nicht im Fernsehen, gesehen haben. Und jede Oberstufenklasse einen Zivilprozess. Aber an sich gibt es 100e Dinge, die Schulklassen gesehen haben sollten, Museen, Opern, Theater, KZs, Fließbänder in Fabriken, Kläranlagen, das Parlament, den Landtag, das Rathaus, die Donau, die Alpen, die Au, Braunau, Wien, Liechtenstein und vieles, vieles mehr.
Weil es also so vieles gibt, was Schulklassen eigentlich gesehen haben sollten, sehen sie nur ganz wenig davon, es kann ja nicht jeden Tag eine Exkursion geben. Polyschulklassen sehen halt in den letzten Juniwochen Strafprozesse, so erklärte mir das einer der Lehrer. Ich hatte ja die letzten 2 Juniwochen 2007 Urlaub und mir davor auch schon einzelne Tage frei genommen, deswegen habe ich nur an 2 Tagen Prozesse mit anwesenden Schulklassen, beide aus einem Polytechnikum verhandelt. Einerseits tut mir das etwas leid, ich verhandle gerne mit Publikum, welches im Anschluss interessierte und (weil es keine Jusstudenten sind) leicht zu beantwortende Fragen stellt. Andererseits bin ich auch sehr froh drüber, denn im Juni 2007 war es sehr, sehr, sehr heiß. Einmal war sogar meine Krawatte, die ja nun wirklich nirgends Hautkontakt hat, durchgeschwitzt. Im Sakko zu schwitzen ist überhaupt eine besonders unangenehme Art zu schwitzen.
Zurück zu unseren Polyklassen. Die erste hatte mehrere sehr interessierte Schüler und Schülerinnen, die stellten verschieden Fragen, zu Ausbildung, Gehalt, Strafjustiz usw. Außerdem befragte sie mich ausführlich, wie lange man ins Gefängnis muss, wenn man Waffen hat. Ich hoffe, die hatten nichts vor, ich habe sie jedenfalls eindringlich vor den Konsequenzen gewarnt.
Die andere Polyklasse war das krasse Gegenteil. Die saßen wirklich nur da, um nicht in der Schule zu sitzen, waren völlig desorientiert und -interessiert, störten tw sogar durch Plaudern und Blödeln den Prozess. Zugegebenermaßen hatten sie aber auch die weniger spannenden Prozesse erwischt, und einige entfielen auch. Am meisten interessierte es sie, als sie bemerkten, dass das gegenständliche Bezirksgericht eine Außenstelle des Strafvollzugs angeschlossen hatte und sie durch das in der Pause geöffnete Fenster mit den Strafgefangenen im Hof plaudern konnten. Der eine saß für 15 Jahre ein, die Schüler waren beeindruckt. Die Lehrerin dieser Klasse plauderte in den Pausen lieber mit mir als mit ihren SchülerInnen. Sie war generell eher unsolidarisch ihrer Klasse gegenüber, was mich mit etwas Enttäuschung hinsichtlich des Schulsystems füllte. Nichtsdestotrotz, die Anekdoten die ich so erfuhr, waren interessant, wenngleich noch weniger aufbauend.
So erzählte sie mir dass die Klasse 30 SchülerInnen habe. Auf den Zuseherbänken saßen ca 20. Das sei nicht nur wegen der geringen Disziplin und Motivation so, von den 8 vorbestraften SchülerInnen der Klasse sei nur einer mitgekommen, die anderen hatten zu sehr Angst, wieder erkannt zu werden oder wussten einfach schon, wie so ein Prozess aussieht. Der eine anwesende vorbestrafte, sagte sie, sei im Übrigen „der kleine Türke im gestreiften (!) Hemd“, als ob er seinen Pass dabei gehabt hätte. Sie machte noch ein paar Andeutungen, wie desolat die Familienverhältnisse der Kinder waren, ua dass sie seit Jahren kein warmes Essen mehr bekommen hatten und Andeutungen, die ich gar nicht verstand da mir das Milieu doch sehr fern war. Das Ärgste meinem Empfinden nach war aber, dass sie erzählte, für ihre SchülerInnen sei der Häf'n durchaus eine Perspektive, sie hätten einen fixen Tagesablauf, ein Dach über dem Kopf, würden Essen bekommen und müssten sich um nix kümmern. Die Jobchancen wären eh marginal.
Wenn ich solche Fernsehprozesse, die diese SchülerInnen sicher mehr interessieren dürften als dieser echte Strafprozess, sehe, bin ich immer etwas neidisch auf die Staatsanwälte, die da minutenlange Plädoyers halten dürfen. Meine Schlussplädoyers beschränkten sich auf „Die Staatsanwaltschaft Wien hält den Strafantrag aufrecht und beantragt schuld- und tatangemessene Bestrafung.“ Manchmal war es noch zweckmäßig auf vorhergehende Diskussionen zu einzelnen Rechtsfragen zu verweisen, „Dazu verweise ich auf das vorher gesagte“ und anzumerken, dass die Staatsanwaltschaft forderte, dass eine bedingte Vorstrafe in eine unbedingte Strafe umgewandelt wird oder dass Drogen vernichtet werden, damit es beim Urteil nicht vergessen wird. Sofern man als Bezirksanwalt zu dem Schluss gekommen ist, dass hier eigentlich nur ein Freispruch richtig wäre, konnte man das auch andeuten (den Strafantrag zurückziehen darf ja der Bezirksanwalt nicht). Das war aber nur was für's eigene Ego, man konnte sich auf die Schulter klopfen und von sich selbst denken, was man nicht für ein (selbst)gerechter Kerl/Typin sei, habe man doch gerade jemanden vor einer falschen Strafe gerettet. In Wahrheit hatte die Richterin den Freispruch schon 10 Minuten bevor der Bezirksanwalt noch zweifelte, beschlossen.
Bevor's weiter geht kurz eine Erklärung für die Nicht- Rechtsstudierten, was ein Tagessatz ist. Im Strafrecht gibt’s 2 Arten von Strafen, Haft und Geldstrafe (jeweils bedingt, unbedingt und teilbedingt und tw auch in Kombination). Haft ist klar, für so lange in den Knast. Die Geldstrafe ist aber kein fixer Betrag, sondern bemisst sich am Einkommen und den Unterhaltspflichten. Wer also viel verdient muss, auch bei gleicher Straftat, mehr zahlen als jemand der wenig verdient oder jemand der eine Familie zu erhalten hat. Die Geldstrafe soll also den Lebensstandard spürbar einschränken, aber nicht zum Ruin (oder zu weiteren Straftaten) führen. Deswegen fragt die Richterin zu Beginn auch immer nach Einkommen und Familienstand und muss für die Tagsätze herumrechnen. (Iudex non calculat heißt nur, dass der Richter die Ansprüche der Parteien nicht ausrechnet, alles andere wie Gerichtskosten und Strafen rechnet er natürlich schon).
Ich hatte nicht sehr oft mit Strafverteidigern zu tun. Im Bezirksgericht ist ein Straverteidiger nicht notwendig. Am Häufigsten gab es die bei Leuten, die dauernd Prozesse hatten und bei Leuten mit Autounfällen, die einen Job hatten. Vereinzelt sah ich Strafverteidiger auch bei reicheren Leuten, die eindeutig schuldig waren, es aber nicht zugaben (und dann trotzdem verurteilt wurden).
Der einzige überzeugende Grund war wohl, dass es für einen psychisch leichter war, wenn man wusste, neben einem sitzt ein Konzipient eines Anwalts (dessen Stundenlohn noch niedriger ist als meiner) der sich um einen kümmert und der sich auskennt.
Wirkliche Aufgaben hat er keine. Die materielle Wahrheit und damit die Schuld oder Unschuld der Beschuldigten findet die Richterin schon von alleine (und amtwegig) raus, da bräuchte sie nicht mal den Bezirksanwalt, geschweige denn einen Strafverteidiger. Beschuldigte kennen den Fall ja ohnehin besser als ein Anwalt, bestenfalls kann der ihre Gedanken ordnen oder besser erklären.
Die psychische Komponente mag für viele Leute sehr wichtig sein, das verstehe ich voll und ganz, aber man könnte ja auch einen Freund oder eine Freundin, ein Familienmitglied oder sonstwen mitnehmen und/oder sich halt vorher selber einen Prozess ansehen, kommt allemal billiger (abgesehen bei Rechtsschutz).
Am allerwenigsten verstehe ich es, wenn Leute eh auf schuldig plädieren und sich ihrer Schuld bewusst sind in völlig eindeutigen Verfahren, und dann doch einen Strafverteidiger mitnehmen. Dagegen bringe ich gerne das Beispiel eines österreichischen Skifahrers, der einen Autounfall verschuldet hatte, was ihm sehr leid tat. Zu Gericht kam er ohne Verteidiger und merkte an, das Geld dafür investiere er lieber in Schadenswiedergutmachung.
Aufgrund der Unnotwendigkeit, die ja auch jedem Strafverteidiger beim Bezirksgericht völlig klar ist, ist nun jeder Strafverteidiger andauernd vom inneren Drang getrieben, sich zu profilieren. Nicht vor der Richterin oder dem Bezirksanwalt (oder dem allfälligen Publikum) sondern nur und ausschließlich vor dem eigenen Klienten. Die Strafprozessordnung und – praxis ist da auch sehr nett und entgegenkommend. Abgesehen von schriftlichen Sachen darf der Verteidiger beim Bezirksgericht eröffnende Worte sprechen. Da sagt er, ob sich sein Klient schuldig oder unschuldig bekennen wird (was nicht so wichtig ist, weil der Beschuldigte das selber nachher noch mal sagen muss) und erklärt, wie alles (angeblich) wirklich war (was nicht so wichtig ist, weil der Beschuldigte selber nachher in eigenen Worten erzählen muss, wie sich alles zugetragen hat). Zumeist versuchen dann die Strafverteidiger auch noch besonders gescheite Fragen an die Zeugen zu stellen. Je nach Temperament und Vorliebe der Richterin tratscht die derweil mit der Schriftführerin, macht sich Notizen oder sagt „Das hat er doch schon vorher gesagt“ oder „Was hat das damit zu tun?“.
Am Ende darf der Strafverteidiger dann noch ein Schlussplädoyer halten. Die Richterin rechnet derweil schon die Höhe eines Tagsatzes aus.
Jedenfalls, nach all diesen Vorbemerkungen, Abschweifungen, generellen Aussagen und so weiter ist es an mir zu erklären, wieso dieses (autobiographische Mach-) Werk mit dem Strafprozess von Herr K. bedingt. Es ist nämlich so, dass Herr K. und ich etwas gemeinsam haben. Und damit meine ich jetzt nicht, dass wir beide Figuren von zweifelhaften literarischem Wert in diesem Werk hier sind.
Wir gingen beide in einer Phase unseres Lebens beim selben AMS- Amt in Wien stempeln.
Und nach meiner Tätigkeit als Bezirksanwalt, auf die ich hier laufend rekurriere, musste ich also stempeln gehen, weil ich trotz intensiver Suche nirgends anders im direkten Anschluss einen Job gefunden hatte.
Um Arbeitslosengeld zu bekommen, muss man seine bisherigen Beschäftigungen nachweisen. Wieso man das in einer vernetzten Welt nicht einfach über Sozialversicherung und Finanzamt macht, weiß ich zwar nicht, aber es ist ja ok. Jeder Dienstgeber muss einem ja ein Dienstzeugnis ausstellen usw. Und ich hatte schließlich nicht für irgendeine schwindlige Firma gearbeitet, sondern für den Staat!
Nun ist's leider so, dass der Staat die meisten Arbeitsgesetze gar nicht anwenden muss, zumindest scheint es so in der Praxis. Beispielhaft sei nur erwähnt, wie ich diese besagte Bestätigung erhielt.
Als erstes recherchierte ich Ende Mai selbständig und lernte so, dass ich eine derartige Bestätigung nur gegen Antrag erhalten würde. Das ist klar und sinnvoll, wieso sollte auch jeder Rechtspraktikant eine Bestätigung automatisch bekommen, wer würde schon sowas brauchen, außer der Anwaltskammer, späteren Dienstgebern, dem AMS, der Pensionskasse uvm. Also ging ich zu meinen für mich zuständigen Personalleuten und frug, wie denn der Antrag auszusehen habe. Man sagte mir, das kann ruhig formlos sein, Hauptsache ich würde ihn bezahlen, unten bei der Gebühreneinhebungsstelle. Meinetwegen dachte ich, wieso nicht, 2, 3 € für die Arbeit und vielleicht ist's ein schönes Papier mit Adler drauf. So schrieb ich nun den Antrag und ging hin zu besagtem Zimmer. Da „arbeiteten“ 3 Leute. Ich wurde vom 1. zur zweiten und von der zum dritten geschickt. Der verstand dann endlich, was ich genau wollte. Im Übrigen ließen alle 3 keinen Zweifel dran, dass ich für sie eine Störung in ihrem Büroalltag, der eigentlich darin bestehen sollte Geld auszubezahlen und einzuheben, denn sie waren die Rechnungsführer des Gerichts, darstellte und das ließen sich mich auch fühlen; es war ja schließlich schon kurz nach 3. Ich selbst bin ja jemand der wenn er irgendwo hingeht und was will versucht so höflich wie möglich zu sein. Wieso ich das angesichts dieser 3 aufrecht halten konnte, ist mir in Respektive rätselhaft.
Jetzt lagen die Karten auf dem Tisch. Die Leute wussten was ich wollte. Ich wusste die Leute wollten mich nicht. Die Leute wussten aber auch, dass es ihr Job war, zu tun was ich wollte, im Übrigen war es auch kein extrem ausgefallenes Begehren, dutzende Rechtspraktikanten arbeiteten täglich in dem Gebäude, und wohl der eine oder die andere konnten in Erfahrung bringen, dass sie nur auf Antrag eine Bestätigung erhielten.
„13 €“ sagte also der Mann, der das Geld einzuheben hatte.
13 €. Das war mein Stundenlohn für 2 Stunden und einige Minuten. Von den ca. 1900 Stunden die ich in der Justiz gearbeitete habe, hatte ich, ohne es zu wissen, über 2 Stunden nur gearbeitet, damit man mir nachher auch bestätigt, dass ich diese Arbeit tatsächlich geleistet habe. Eine Bestätigung, die sich eindeutig aus meinen Finanzakt und aus meiner Sozialversicherung ergibt und vielleicht nicht mal auf Adler- Papier gedruckt wird. Und die mir jeder private Arbeitgeber ohne zu Murren ausstellen muss. Wie dem auch sei, ich hatte nur 12,60 € dabei, wie ich nach Zählung feststellen musste
„Da muss ich wohl später wiederkommen“ sagte ich und blieb weiter freundlich dabei.
Mit einem Anflug von Entsetzen entgegnete mir der Mann, scheinbar der Chefgeldzähler hier „Aber doch wohl nicht heute!“, schließlich war es schon einige Minuten nach 15.00h und die Dienstzeit war ja, offiziell, nur bis 15.30h und Solidarität unter Justizmitarbeitern, also Bi-tte!
„Nein, keine Angst, heute sicher nicht mehr“ sagte ich und blieb weiter freundlich dabei.
Bestärkt, früh heimgehen zu können kam jetzt ein selbstbewusstes „Ich hab vor nichts Angst“. Ich hatte kurz den Reflex, die Hände zusammenzuschlagen und ihn mit glänzenden Augen anzuhimmeln, um zu sagen: “Daredevil, ohne deinen roten Latexanzug habe ich dich gar nicht erkannt!“
Aber ich verabschiedete mich, ging und blieb weiter freundlich dabei.
(Für alle die Daredevil nicht kennen eine kurze Erklärung: Daredevil ist ein Charakter aus der gleichnamigen Comicserie von Marvel. Er ist ein Anwalt, der als Junge durch einen Unfall mit radioaktiven Substanzen erblindete und dabei aber Superfähigkeiten erhielt. Er kämpft ihn New York's Hell Kitchen gegen organisiertes Verbrechen, Mörder usw. Der Untertitel des Comics und das Schlagwort, mit dem man ihn beschreibt ist „The Man without Fear“, also der Mann ohne Angst.)
Da ich aufgrund meiner Verhandlungen normalerweise nie vor 15.00h am Landesgericht war und ich mich nicht getraute, diesen Leuten nach 14.00h meine Aufwartung zu machen, konnte ich erst eine Woche später den Betrag begleichen. Zum Glück erinnerten sie sich nicht an mich und nachdem ich noch mal alles erklärt hatte, zahlte ich und bekam eine Bestätigung darüber. Die 13 € werde ich jedenfalls als Sonderausgaben oder Werbekosten von der Steuer absetzen! (Hoffentlich liest mein Sachbearbeiter am Finanzamt dies hier nicht).
Zurück aber zu Herrn K, dem ich in meiner Aufgabe als Bezirksanwalt und als solcher weisungsgebunden dienstlich vorwarf, eine Einrichtung eines Büros zerschlagen zu haben. Herr K sah sich, wie schon erwähnt, völlig im Recht. Aus purer Gemeinheit hatte ihm das AMS nämlich das Arbeitslosengeld für einige Wochen gestrichen, und er hatte ja noch gewarnt, wenn sie ihm das Geld nicht geben würde, dann würde er jetzt 1000 € Schaden verursachen (was ihm in Folge auch gelang). Wieso er nicht wegen schwerer Delikte auch noch dran war wie zB Drohung oder versuchte Nötigung, sogar ein versuchtes Raubdelikt hätte man ruhigen Gewissens andenken können, muss an der Großzügigkeit des Strafantrag- Schreibers gelegen haben.
Nun hatte ich also den entsprechend vergebührten Antrag für die Ausstellung meiner Amtsbestätigung, die für andere Ämter nachwies, dass ich als Bezirksanwalt Leute wie Herrn K getroffen hatte. Und ich hatte meine innere Ruhe. Also ging ich den Antrag abgeben. Vorausschauend, wie ich gelernt hatte zu sein, fragte ich auch gleich, wann, wie, wo ich denn die Bestätigung holen dürfte. Die zuständigen Damen, die immer sehr nett freundlich und sehr bemüht waren, wussten es leider nicht. Von Ihnen würde ich es jedenfalls nicht bekommen, sagten sie mir. Das war eine wichtige Information, weil ich war eigentlich sicher, dass ich ihn so, ganz klassisch auf dem Dienstweg bekommen würde. Wie gut dass ich gefragt hatte, sonst wäre ich gänzlich ratlos gewesen. Es hieß also, sich selbst drum kümmern.
Ich wartete noch eine Woche, erstens weil ich im Urlaub im Ausland war und weil ich zweitens nicht ganz ausschließen konnte, dass er nicht per Post kommen würde. Dann rief ich am Oberlandesgericht, welches für die Verwaltung und Zuteilung der Rechtspraktikanten zuständig war. Als Schlussfolgerung aus den bisherigen Erfahrungen war es offensichtlich auch für die Ausstellung solcher Bestätigungen zuständig. Ich rief bei der Vermittlung an. Die sehr nette Dame sagte mir, die zuständige Dame sei auf Urlaub, aber ihre Vertretung sei ja da. Ich rief diese Dame im Laufe eines Vormittags, an dem sie laut Auskunft unter dieser Nummer zu erreichen sei, viele Male an, jedes Mal ohne Erfolg. Einmal war besetzt und ich freute mich, offensichtlich war sie zurück! Aber auch der nächste Anruf war erfolglos, vermutlich hatte nur jemand anders, so wie ich, vergeblich versucht, die Dame zu erreichen.
11.00h vormittags war es aber so weit. Sie hob ab! Und, entgegen anderer Erfahrungen war sie eine sehr nette und auch kompetente Dame. Zunächst aber wollte sie mir erklären, wie denn das so sei, mit den 13€ und dem Antrag. Ich sagte, das hätte ich schon alles gemacht. Sie sagte, es stünde nicht im Register (in was für einem Register?). Ich beharrte, ich hatte das schon alles gemacht. Sie sah noch mal in der Mappe (in was für einer Mappe?) nach und da war die Bestätigung über meine 13€. Es hatte offensichtlich niemand ins Register (welches Register?) eingetragen. Das bedeute vor allem, es war noch nicht fertig, was aber auch egal war, weil ich es eh erst nach meiner Enthebung bekommen würde, also nächste Woche. Sie schrieb sich meine Nummer auf und sagte, sobald es Anfang Juli fertig sei, rufe sie mich an. Wie ich es dann bekommen würde, sagte sie mir nicht, aber das würde sie mir dann hoffentlich sagen. Zumindest wenn ich nochmals nachfragte.
Der Anruf kam nie. Allerdings war die Amtsbestätigung am Dienstag nach meiner Enthebung, also dem offiziellen Ende meiner Tätigkeit als Bezirksanwalt, in der Post. Mehr wollte ich nicht und ward zufrieden. Ein kleiner Wermutstropfen aber war, dass es nicht auf Adlerpapier war, einzig links oben prangte, über dem Schriftzug Republik Österreich das Vögelchen. Und gleich darunter stand als Memento: „Gebühr 13 Euro entrichtet“.
Schon während meiner Zeit als Bezirksanwalt kümmerte ich mich um die Zeit danach. Ich schrieb sehr viele Bewerbungen, ging zu Jobinterviews, führte Jobinterviews am Telephon, meldete mich bei 3 verschiedenen Jobvermittlungsstellen im Internetz an usw.
Auch schrieb ich lange im Voraus eine Email ans Arbeitsamt, was ich denn zu tun habe, damit ich dann gleich arbeitslos gemeldet sei.
Die Email wurde mir sehr rasch beantwortet. Mit einer Ausnahme, nämlich der Frage ob ich mich denn arbeitslos melden konnte, ohne diese Amtsbestätigung zu haben.
Die meisten Antworten im Email verwiesen auf Online- Formulare und Informationsblätter, die ich bei intensiverer Recherche auf der HP des AMS selber gefunden hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich offensichtlich noch sublime Berührungsängste und schickte lieber schnell ein Email, als lange dort zu verweilen.
Wie gesagt, das Email kam sehr rasch am nächsten Morgen, beantwortete fast alle Fragen. Außerdem beinhaltete es den Hinweis, dass meine Anfrage auch an die Zuständigen im Bezirks-AMS weitergeleitet worden waren. Und der Zuständige rief mich auch gleich noch am selben Vormittag an. Das nenne ich Service.
Leider war der Anruf vergebens, weil alle Antworten eben schon im Email standen und zur Amtsbestätigung, was sich im Übrigen dann eh von alleine regelte, konnte er mir auch nicht helfen.
Mein erster Besuch beim Arbeitsamt war wenig ausgiebig. Um eben gleich nach meiner Enthebungen arbeitslos zu sein, ging ich schon in der letzten Urlaubswoche hin, quasi als Voranmeldung.
Im Email, welches ich zuvor bekam, stand ja schon, wo und wie ich meine Daten online bekannt geben könnte, was ich dann auch tat. Inklusive Sozialversicherungsnummer meiner Frau und meinen bevorzugten Berufswünschen (da schrieb ich sinngemäß, „alles außer Anwalt“). Im weiteren bekam ich dann ein Email, wo drinnen stand, wo genau ich hinmusste, also welchen Stock, welches Zimmer usw. Das war äußerst hilfreich, ich konnte direkt hingehen als ob ich schon 100 mal dort gewesen wäre.
Dort angekommen lernte ich aufgrund der Aushänge, ich möge eine Nummer ziehen. Ich zog eine Nummer. 426. Der Mann neben mir hatte 527. Ich war etwas verunsichert.
Die Ansammlung an sonstigen Nummerninhabern war ein Querschnitt durch alle Alters- und die meisten Gesellschaftsgruppen, da gab es 15 jährige Mädels (die aussahen als ob sie Frisösen werden wollten) genauso wie ältere Herren (die aussahen, als ob sie die Termine die sie hier vor der Pension hatten schon abzählten) und alles dazwischen.
Nach nicht einmal einer Minute piepste es und ich war schon dran. Der Mann mit der 527 hatte bei der anderen Türe zu warten, so wie offensichtlich alle anderen auch. Die Zuständigkeit beim AMS erfolgt nach dem Geburtstag, offensichtlich war ich der einzige aus meinem Zeitabschnitt.
Man ist es ja sonst gewohnt, nach dem Nachnamen eingeteilt zu werden. Das AMS ist da offensichtlich anders, wieso auch immer. Im Grunde ist es ja sowieso nur Gewohnheitssache, es gibt eindeutig mehrere statistische Kennzahlen die zu einer gleichmäßigen Verteilung führen.
Herr K. in seinem Prozess behauptete ja, dass man ihm am AMS behandelt hätte, als sei er weniger als ein Mensch. Auch wenn jetzt Herr K. in seinem Selbstmitleid wohl übertrieben hatte, gänzlich wahrheitsfern waren seine Äußerungen diesbezüglich wohl nicht. Mit entsprechender Sorge ging auch ich in das Büro. Meine diversen Dokumente, die man mir gesagt hatte mitzunehmen, vom Meldezettel bis zur Heiratsurkunde, gerade noch kein Photo im Zebrakostüm, hatte ich alle fein säuberlich sortiert bei mir.
Ich vermute, ich war 2 – 4 min im Büro des jungen Mannes (Mitte bis Ende 20). Meine Dokumente wollte er nicht sehen, obwohl ich im verschiedene anbot. Meine Daten hatte er schon. Das einzige was er tat war, mir den online ausgefüllten Antrag auszudrucken und mit dem Hinweis zu geben, dass ich ihn daheim (!) unterschreiben sollte und das nächste Mal wieder mitbringen. Gemeinsam mit den Dokumenten und der oben angesprochenen Amtsbestätigung. Und er gab mir einen A5- Kartonzettel, wo drauf stand, wann ich wieder kommen sollte, wo er drauf unterschrieb dass ich heute da war. Kurz fragte er mich, was ich denn bis jetzt getan hatte, um einen Job zu suchen, worauf ich von meinen letzten Unternehmungen dazu berichtete. Seine Aufmerksamkeit konnte das nicht lange halten. Überhaupt war er keineswegs unnett, er wirkte nur so, als ob ich ihn unendlich langweile und hielt die Augen auch dementsprechend fast durchgehend auf seinen Monitor gerichtet (der aber offensichtlich auch unendlich langweilig war).
Die restlichen Urlaubstage und das Wochenende verflogen rasch. Nun war sie also da, die Zeit meiner offiziellen Arbeitslosigkeit. Meine Frau wollte renovieren, ich wollte meine Diss fertig schreiben, die Katze wollte Aufmerksamkeit. Und zu allem Überfluss hatte ich mir auch noch vorgenommen, ein einmonatiges Sommeruniprogramm zu vergleichendem Umweltrecht zu machen. Achja, eine Seminararbeit und eine Proseminarsarbeit mussten auch geschrieben werden und ein Tanzkurs als sportlicher Ausgleich musste auch noch dazu kommen. Der erste Monat meiner Arbeitslosigkeit war daher schon ausgebucht. Job suchen und AMS gehen musste ich ja auch noch. Die Sommeruni war zeitweise mühevoll und hatte nebenbei den Nebeneffekt, dass ich nun nicht mehr sicher bin, ob das mit Klimaänderung so schwarz auf weiß ist, wie man es uns weiß gemacht hat. Tragisch, alles viel zu komplex um in einem Menschenleben nachzuprüfen, was davon stimmt und was nicht.
Wenn die Leute nicht lügen würden, es wäre viel einfacher!
Herr K auf der anderen Seite, und zumindest dies, muss man ihm hoch anrechnen, log nicht. Er gab ja zu, die Sachen zerschlagen zu haben, weil eben aus purer Gemeinheit sein Arbeitslosengeld gestrichen war. Die Vorgeschichte war laut den AMS- Bediensteten (auch kein besonders schöner Job, wie ich glaube) wie folgt so, dass er bei 3 verschiedenen Fortbildungskursen jeweils nach dem ersten Tag angerufen habe und sich für den Rest des Kurses krankgemeldet hatte. Ob er einen ärztlichen Befund odgl brachte, kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern, ich gehe aber davon aus, dass nicht, wo wäre sonst das Problem gewesen?
Herr K jedenfalls widersprach dieser Darstellung auch gar nicht. Im Übrigen wirft das jetzt nicht so ein tolles Licht auf diese Kurse, wenn Arbeitslose die als Zeitverschwendung ansehen.
Wie gesagt bekam ich ja bei meinem ersten Besuch wie wohl Herr K auch beim AMS diesen Karton, wo stand, wann ich wieder kommen sollte. Nun war es so weit. Die Parteienverkehrszeiten des AMS waren 08.00h – 12.00h, die Sommeruni begann um 09.00h. Das hieß für mich, um 07.30h dort sein. Es erschien mir zwar etwas sehr vorsichtig, Arbeitslose, die anders als ich die Zeit genossen statt mit Aufgaben vollzupfropfen, würden wohl sicher ausschlafen, bevor sie zum AMS gehen, aber Vorsicht ist die Mutter usw. Außerdem hatte ich noch ein paar 100 Seiten zu lesen, das konnte ich ja in der halben Stunden weiterführen.
Um ca. 07.20h war ich dort. Noch 2 weitere Personen hatten, aus welchen Gründen auch immer, die selbe Idee gehabt, und warteten schon vor den noch fest verschlossenen Türen. Ich las mein Buch. Nach einiger Zeit öffnete man uns die Tür ins Gebäude, sehr nett vom AMS, hatten sie sich vermutlich im Winter angewöhnt. Wir, mittlerweile waren wir ca. 4 gingen hinein. Ich hatte insoferne Glück, als die anderen Leute zu anderen Stockwerken, Zimmern, Bereichen oder was auch immer mussten. So stand ich als einziger vor der Türe die für die erste Hälfte des Jahres (oder wann genau) zuständig war. Bis kurz vor 08.00h sammelte sich ein größeres Grüppchen von Leuten an, die sich alle hinter mir anstellen mussten (was mir, obwohl ich ja deswegen so früh gekommen war, doch irgendwie unangenehm war). Außerdem kamen vereinzelt die Mitarbeiter, die die Tür für sich aufsperrten und dann wieder schlossen.
Kurz vor 08.00h war's so weit. Die Tür wurde aufgesperrt. Mit bestimmten Schritt ging ich hindurch, nicht ohne am ca 4m langen Weg zum Nummern- Ausgabe- Automat von 2 Herren überholt zu werden, die sich auch gleich, noch bevor ich mich über deren Impertinenz amüsieren konnte, Nummern runterdrückten. Einem der beiden waren allfällige Unmutsrufe auch völlig egal, er nahm seine Nummer und war als erster dran. Der andere hingegen sah seinen Fehler ein und überließ mir seine Nummer (wobei es wohl Spekulation seinerseits war, dass ich die selbe brauchte, ich hätte ja auch in der anderen Hälfte resp Viertel oder was für eine Untereinheit auch immer sein können).
Trotz dieser Episode war ich kurz darauf im entsprechenden Amtszimmer (es sind nämlich mehrere Personen für den selben Abschnitt zuständig, ob man also 1. oder 2. ist, ist daher wurst). Diesmal bei einer Dame, die auch durchaus nett war und nicht so gelangweilt wie der Herr das letzte Mal.
Ich hatte es, unter Aufbietung aller Kräfte, geschafft den Antrag daheim erfolgreich zu unterschreiben und gab ihn ihr. Der Großteil der Zeit dort wurde damit zugebracht, den Antrag zu kontrollieren. Ich erzählte kurz von meinen bisherigen Bewerbungsbemühungen und (Miss-)Erfolgen, sie schaute im System nach und sagte, es gäbe keine Jobs für Juristen im Moment und damit war es auch schon wieder erledigt, ich konnte ohne Probleme rechtzeitg um 0900 dem Sommerunikurs beiwohnen.
Was mir bei beiden Besuchen beim AMS auffiel war, dass es unter den Arbeitslosen kaum Kommunikation gab, sie redeten nicht miteinander, fragten sich nie was und waren im Großen und Ganzen auch eher schlechter Stimmung. Inwiefern das repräsentativ war, kann ich natürlich nicht sagen, irgendwie ist es aber schade. In einer Zeitung las ich mal über eine Selbsthilfegruppe, die ältere Arbeitslose irgendwo ins Leben gerufen hatten.
Herr K. führte sein persönliches Scheitern auf sehr viele Umstände zurück. Allesamt Umstände die gänzlich und allesamt von außen gekommen waren, keinen den er selbst zu verantworten hatte. So sagte Herr K. auch, der österreichischer Staatsbürger war und so wie alle im Gerichtssaal einwandfreies Deutsch sprach, er fände keinen Job wegen des Rassismus, der ihm entgegenschlage. Es gibt sehr, sehr, sehr viele Gründe (und noch mehr) wieso Rassismus schlecht ist, aber dass sich Herr K. drauf ausreden kann ist keiner davon, er hat noch genug andere Gründe gefunden.
Wie gesagt, schon während meiner Zeit als Bezirksanwalt schickte ich viele Bewerbungen aus. Unter anderem auch einige an den Staat und seine Untereinheiten. Denn beim Staat, abgesehen von der Episode mit den 13€ für die Amtsbestätigung, hatte es mir sehr gut gefallen. Das Gehalt war zwar mäßig (sehr mäßig als Bezirksanwalt), die Arbeitszeiten aber menschlich. Der Staat war für alle da. Der gelegentliche Kampf mit der internen Bürokratie war zwar mühsam, aber irgendwie auch witzig. Und nicht zuletzt gab es wunderbare Anekdoten ab, mit denen man Freunde beim Mittagessen unterhalten oder schockieren konnte. So war es meine Bestrebung, weiter für den Staat zu arbeiten. Und so schickte ich diverse Bewerbungen an verschiedene Staatsstellen. Die eine wollte mich nicht, weil ich nur 1 Fremdsprache konnte, die andere nahm lieber wen mit mehr Berufserfahrung usw. Eine schrieb mir zurück, ich sollte einen Fragebogen ausfüllen weitere Zeugnisse einschicken. Der Fragebogen war sehr schlau, sie wollten wissen, wo ich meine Schwerpunkte gesetzt hatte und wie ich mich nach dem Ende meines Studiums am Stand des Wissens gehalten hatte. Außerdem war ein weiterer Fragebogen dabei, wo sie wissen wollten, welche Zeiten man mir anrechnen würde (Bundesheer, Studium udgl), falls ich genommen werde. Das gab mir Hoffnung.
Ich füllte alles aus und schickte es ein.
Nach einigen Tagen bekam ich eine Einladung zum schriftlichen (computerunterstützten) Eignungstest. Der Staat war sehr nett und nahm, ohne dass ich es gesagt hatte, sogar auf meine Sommerschule Rücksicht, der Termin kollidierte nämlich nicht obwohl die Sommerhochschule an 4 Tagen die Woche war. So ging ich hin und machte den Test mit 5 anderen BewerberInnen. Es waren diverse Fragen, juristisch, betriebswirtschaftlich, politisch, der Schwierigkeitsgrad war meines Erachtens durchschnittlich aber eben sehr breit gefächert und daher in Summe schwer. Vor dem Test sagte man uns, in 2 bis 3 Wochen würde man uns das Ergebnis mitteilen. Ich war als erster fertig, was mir etwas Sorgen bereitete und fuhr im Anschluss nach Hause. Nach dem Mittagessen bekam ich einen Anruf, ich hätte den Test geschafft und sollte demnächst zum Vorstellungsgespräch. Das Vorstellungsgespräch war recht streng geführt und dauerte fast eine Stunde. Da man mir schon im Vorfeld weiteres Informationsmaterial zukommen hatte lassen, war die einzige Frage, die ich im Anschluss noch hatte, wann ich denn erfahren würde, ob ich weiter stempeln gehen müsste oder nicht. In 2 bis 3 Wochen sagte man mir. Noch am selben Tag kam der Anruf, dass ich genommen worden war. Zwar war der Arbeitsbeginn erst in ein paar Wochen, aber vorher musste ich ja noch Dokumente vorlegen, einen Sprachtest machen, Seminararbeiten schreiben, Renovieren uvm. Den nächsten Termin beim Arbeitsamt musste ich nicht mehr wahrnehmen. Einzig der notwendige Strafregisterauszug überraschte mich, ich hatte keine Ahnung, wo ich einen herbekomme...
Herr K auf der anderen Seite war verurteilt worden. Da er schon mehrmals vorbestraft war, bekam er 4 Monate bedingt. Die Vorstrafen versuchte er im Prozess zu leugnen, weil er glaubte, da es Strafen unter 3 Monaten waren die auf dem Strafregisterauszug für den Dienstgeber nicht aufschienen, würde es das Gericht nicht wissen. Er nahm die Strafe an, wohl leider bestärkt im Glauben dass die ganze Welt sich gegen ihn verschworen hatte.
Zwar habe ich einen Monat davon eine Sommeruni gemacht, die Diss fertig geschrieben, tw die Wohnung renoviert etc etc, trotzdem fiel es mir nicht leicht, das mit dem Arbeitslos- Sein, einfach so wegzustecken.
Drum schrieb ich. Tw auch, um etwas meine Zeit als Bezirksanwalt (BA) Revue passieren zu lassen.
So, und alle die sich das antun wollen, können das jetzt hier im Folgenden nachlesen:
Der Beschuldigte wirkte verärgert. Er machte nicht den Eindruck, als ob ihn dieser Strafprozess besonders interessiere, er störte ihn nur in seinem gewohnten Tagesablauf und war daher einfach nur ein Ärgernis.
Wer also denkt, die meisten Beschuldigten im gerichtlichen Strafprozess würden schuldbewusst wirken, wenn sie auf der Beschuldigten- Bank Platz nähmen, hat nicht viele Strafprozesse, vor allem nicht beim Bezirksgericht, gesehen.
Sicherlich, manchen tut es leid, dass sie ihre Frau verdroschen haben odgl. Wirklich, so richtig schuldbewusst erlebte ich in meiner Zeit als Vertreter der Anklagebehörde aber nur Lehrerinnen, die beim Abbiegen alte Damen am Zebrastreifen niederstießen.
Der Beschuldigte, nennen wir ihn von nun an Herr K., also...
Jetzt denken Sie vielleicht, wieso müssen wir ihn Herr K. nennen, ist das eine Anspielung auf Kafka? Ja, das ist richtig, es soll eine Anspielung auf Kafka sein, aber eigentlich geht es ja darum, obwohl so ein Strafprozess öffentlich ist, hingehen tut ja doch nie irgendwer, außer Poly- Klassen in den letzten Schulwochen. Deswegen werden die Beschuldigten natürlich hier nicht namentlich genannt. Herr K. ist sich selbst schon im Weg genug, da muss man ihn nicht auch noch sonstwie rufschädigen. Das tut man nicht. Und als Jurist weiß ich auch, dass das Folgen für mich haben könnte.
Herr K. war also einer derjenigen Beschuldigten im Strafprozess, die sich keiner Schuld bewusst waren. Man, oder eigentlich ich, als Bezirksanwalt, somit als Vertreter der Staatsanwaltschaft, warf ihm vor, die Einrichtung eines AMS- Büros zertrümmert zu haben. Das war relativ unproblematisch, es hatten Zeugen gesehen und Herr K. machte auch keinerlei Anstalten das Ganze zu leugnen.
Verlassen wir aber kurz Herrn K. und kehren zu den Polyklassen zurück. In Wien scheint es nicht unüblich zu sein, dass in den letzten Schulwochen eines Schuljahres die Polyklassen zu den Bezirksgerichten gehen und bei Prozessen zusehen. Das finde ich eine sehr gute Sache, ich finde jede Schulklasse sollte mal einen richtigen Strafprozess, nicht im Fernsehen, gesehen haben. Und jede Oberstufenklasse einen Zivilprozess. Aber an sich gibt es 100e Dinge, die Schulklassen gesehen haben sollten, Museen, Opern, Theater, KZs, Fließbänder in Fabriken, Kläranlagen, das Parlament, den Landtag, das Rathaus, die Donau, die Alpen, die Au, Braunau, Wien, Liechtenstein und vieles, vieles mehr.
Weil es also so vieles gibt, was Schulklassen eigentlich gesehen haben sollten, sehen sie nur ganz wenig davon, es kann ja nicht jeden Tag eine Exkursion geben. Polyschulklassen sehen halt in den letzten Juniwochen Strafprozesse, so erklärte mir das einer der Lehrer. Ich hatte ja die letzten 2 Juniwochen 2007 Urlaub und mir davor auch schon einzelne Tage frei genommen, deswegen habe ich nur an 2 Tagen Prozesse mit anwesenden Schulklassen, beide aus einem Polytechnikum verhandelt. Einerseits tut mir das etwas leid, ich verhandle gerne mit Publikum, welches im Anschluss interessierte und (weil es keine Jusstudenten sind) leicht zu beantwortende Fragen stellt. Andererseits bin ich auch sehr froh drüber, denn im Juni 2007 war es sehr, sehr, sehr heiß. Einmal war sogar meine Krawatte, die ja nun wirklich nirgends Hautkontakt hat, durchgeschwitzt. Im Sakko zu schwitzen ist überhaupt eine besonders unangenehme Art zu schwitzen.
Zurück zu unseren Polyklassen. Die erste hatte mehrere sehr interessierte Schüler und Schülerinnen, die stellten verschieden Fragen, zu Ausbildung, Gehalt, Strafjustiz usw. Außerdem befragte sie mich ausführlich, wie lange man ins Gefängnis muss, wenn man Waffen hat. Ich hoffe, die hatten nichts vor, ich habe sie jedenfalls eindringlich vor den Konsequenzen gewarnt.
Die andere Polyklasse war das krasse Gegenteil. Die saßen wirklich nur da, um nicht in der Schule zu sitzen, waren völlig desorientiert und -interessiert, störten tw sogar durch Plaudern und Blödeln den Prozess. Zugegebenermaßen hatten sie aber auch die weniger spannenden Prozesse erwischt, und einige entfielen auch. Am meisten interessierte es sie, als sie bemerkten, dass das gegenständliche Bezirksgericht eine Außenstelle des Strafvollzugs angeschlossen hatte und sie durch das in der Pause geöffnete Fenster mit den Strafgefangenen im Hof plaudern konnten. Der eine saß für 15 Jahre ein, die Schüler waren beeindruckt. Die Lehrerin dieser Klasse plauderte in den Pausen lieber mit mir als mit ihren SchülerInnen. Sie war generell eher unsolidarisch ihrer Klasse gegenüber, was mich mit etwas Enttäuschung hinsichtlich des Schulsystems füllte. Nichtsdestotrotz, die Anekdoten die ich so erfuhr, waren interessant, wenngleich noch weniger aufbauend.
So erzählte sie mir dass die Klasse 30 SchülerInnen habe. Auf den Zuseherbänken saßen ca 20. Das sei nicht nur wegen der geringen Disziplin und Motivation so, von den 8 vorbestraften SchülerInnen der Klasse sei nur einer mitgekommen, die anderen hatten zu sehr Angst, wieder erkannt zu werden oder wussten einfach schon, wie so ein Prozess aussieht. Der eine anwesende vorbestrafte, sagte sie, sei im Übrigen „der kleine Türke im gestreiften (!) Hemd“, als ob er seinen Pass dabei gehabt hätte. Sie machte noch ein paar Andeutungen, wie desolat die Familienverhältnisse der Kinder waren, ua dass sie seit Jahren kein warmes Essen mehr bekommen hatten und Andeutungen, die ich gar nicht verstand da mir das Milieu doch sehr fern war. Das Ärgste meinem Empfinden nach war aber, dass sie erzählte, für ihre SchülerInnen sei der Häf'n durchaus eine Perspektive, sie hätten einen fixen Tagesablauf, ein Dach über dem Kopf, würden Essen bekommen und müssten sich um nix kümmern. Die Jobchancen wären eh marginal.
Wenn ich solche Fernsehprozesse, die diese SchülerInnen sicher mehr interessieren dürften als dieser echte Strafprozess, sehe, bin ich immer etwas neidisch auf die Staatsanwälte, die da minutenlange Plädoyers halten dürfen. Meine Schlussplädoyers beschränkten sich auf „Die Staatsanwaltschaft Wien hält den Strafantrag aufrecht und beantragt schuld- und tatangemessene Bestrafung.“ Manchmal war es noch zweckmäßig auf vorhergehende Diskussionen zu einzelnen Rechtsfragen zu verweisen, „Dazu verweise ich auf das vorher gesagte“ und anzumerken, dass die Staatsanwaltschaft forderte, dass eine bedingte Vorstrafe in eine unbedingte Strafe umgewandelt wird oder dass Drogen vernichtet werden, damit es beim Urteil nicht vergessen wird. Sofern man als Bezirksanwalt zu dem Schluss gekommen ist, dass hier eigentlich nur ein Freispruch richtig wäre, konnte man das auch andeuten (den Strafantrag zurückziehen darf ja der Bezirksanwalt nicht). Das war aber nur was für's eigene Ego, man konnte sich auf die Schulter klopfen und von sich selbst denken, was man nicht für ein (selbst)gerechter Kerl/Typin sei, habe man doch gerade jemanden vor einer falschen Strafe gerettet. In Wahrheit hatte die Richterin den Freispruch schon 10 Minuten bevor der Bezirksanwalt noch zweifelte, beschlossen.
Bevor's weiter geht kurz eine Erklärung für die Nicht- Rechtsstudierten, was ein Tagessatz ist. Im Strafrecht gibt’s 2 Arten von Strafen, Haft und Geldstrafe (jeweils bedingt, unbedingt und teilbedingt und tw auch in Kombination). Haft ist klar, für so lange in den Knast. Die Geldstrafe ist aber kein fixer Betrag, sondern bemisst sich am Einkommen und den Unterhaltspflichten. Wer also viel verdient muss, auch bei gleicher Straftat, mehr zahlen als jemand der wenig verdient oder jemand der eine Familie zu erhalten hat. Die Geldstrafe soll also den Lebensstandard spürbar einschränken, aber nicht zum Ruin (oder zu weiteren Straftaten) führen. Deswegen fragt die Richterin zu Beginn auch immer nach Einkommen und Familienstand und muss für die Tagsätze herumrechnen. (Iudex non calculat heißt nur, dass der Richter die Ansprüche der Parteien nicht ausrechnet, alles andere wie Gerichtskosten und Strafen rechnet er natürlich schon).
Ich hatte nicht sehr oft mit Strafverteidigern zu tun. Im Bezirksgericht ist ein Straverteidiger nicht notwendig. Am Häufigsten gab es die bei Leuten, die dauernd Prozesse hatten und bei Leuten mit Autounfällen, die einen Job hatten. Vereinzelt sah ich Strafverteidiger auch bei reicheren Leuten, die eindeutig schuldig waren, es aber nicht zugaben (und dann trotzdem verurteilt wurden).
Der einzige überzeugende Grund war wohl, dass es für einen psychisch leichter war, wenn man wusste, neben einem sitzt ein Konzipient eines Anwalts (dessen Stundenlohn noch niedriger ist als meiner) der sich um einen kümmert und der sich auskennt.
Wirkliche Aufgaben hat er keine. Die materielle Wahrheit und damit die Schuld oder Unschuld der Beschuldigten findet die Richterin schon von alleine (und amtwegig) raus, da bräuchte sie nicht mal den Bezirksanwalt, geschweige denn einen Strafverteidiger. Beschuldigte kennen den Fall ja ohnehin besser als ein Anwalt, bestenfalls kann der ihre Gedanken ordnen oder besser erklären.
Die psychische Komponente mag für viele Leute sehr wichtig sein, das verstehe ich voll und ganz, aber man könnte ja auch einen Freund oder eine Freundin, ein Familienmitglied oder sonstwen mitnehmen und/oder sich halt vorher selber einen Prozess ansehen, kommt allemal billiger (abgesehen bei Rechtsschutz).
Am allerwenigsten verstehe ich es, wenn Leute eh auf schuldig plädieren und sich ihrer Schuld bewusst sind in völlig eindeutigen Verfahren, und dann doch einen Strafverteidiger mitnehmen. Dagegen bringe ich gerne das Beispiel eines österreichischen Skifahrers, der einen Autounfall verschuldet hatte, was ihm sehr leid tat. Zu Gericht kam er ohne Verteidiger und merkte an, das Geld dafür investiere er lieber in Schadenswiedergutmachung.
Aufgrund der Unnotwendigkeit, die ja auch jedem Strafverteidiger beim Bezirksgericht völlig klar ist, ist nun jeder Strafverteidiger andauernd vom inneren Drang getrieben, sich zu profilieren. Nicht vor der Richterin oder dem Bezirksanwalt (oder dem allfälligen Publikum) sondern nur und ausschließlich vor dem eigenen Klienten. Die Strafprozessordnung und – praxis ist da auch sehr nett und entgegenkommend. Abgesehen von schriftlichen Sachen darf der Verteidiger beim Bezirksgericht eröffnende Worte sprechen. Da sagt er, ob sich sein Klient schuldig oder unschuldig bekennen wird (was nicht so wichtig ist, weil der Beschuldigte das selber nachher noch mal sagen muss) und erklärt, wie alles (angeblich) wirklich war (was nicht so wichtig ist, weil der Beschuldigte selber nachher in eigenen Worten erzählen muss, wie sich alles zugetragen hat). Zumeist versuchen dann die Strafverteidiger auch noch besonders gescheite Fragen an die Zeugen zu stellen. Je nach Temperament und Vorliebe der Richterin tratscht die derweil mit der Schriftführerin, macht sich Notizen oder sagt „Das hat er doch schon vorher gesagt“ oder „Was hat das damit zu tun?“.
Am Ende darf der Strafverteidiger dann noch ein Schlussplädoyer halten. Die Richterin rechnet derweil schon die Höhe eines Tagsatzes aus.
Jedenfalls, nach all diesen Vorbemerkungen, Abschweifungen, generellen Aussagen und so weiter ist es an mir zu erklären, wieso dieses (autobiographische Mach-) Werk mit dem Strafprozess von Herr K. bedingt. Es ist nämlich so, dass Herr K. und ich etwas gemeinsam haben. Und damit meine ich jetzt nicht, dass wir beide Figuren von zweifelhaften literarischem Wert in diesem Werk hier sind.
Wir gingen beide in einer Phase unseres Lebens beim selben AMS- Amt in Wien stempeln.
Und nach meiner Tätigkeit als Bezirksanwalt, auf die ich hier laufend rekurriere, musste ich also stempeln gehen, weil ich trotz intensiver Suche nirgends anders im direkten Anschluss einen Job gefunden hatte.
Um Arbeitslosengeld zu bekommen, muss man seine bisherigen Beschäftigungen nachweisen. Wieso man das in einer vernetzten Welt nicht einfach über Sozialversicherung und Finanzamt macht, weiß ich zwar nicht, aber es ist ja ok. Jeder Dienstgeber muss einem ja ein Dienstzeugnis ausstellen usw. Und ich hatte schließlich nicht für irgendeine schwindlige Firma gearbeitet, sondern für den Staat!
Nun ist's leider so, dass der Staat die meisten Arbeitsgesetze gar nicht anwenden muss, zumindest scheint es so in der Praxis. Beispielhaft sei nur erwähnt, wie ich diese besagte Bestätigung erhielt.
Als erstes recherchierte ich Ende Mai selbständig und lernte so, dass ich eine derartige Bestätigung nur gegen Antrag erhalten würde. Das ist klar und sinnvoll, wieso sollte auch jeder Rechtspraktikant eine Bestätigung automatisch bekommen, wer würde schon sowas brauchen, außer der Anwaltskammer, späteren Dienstgebern, dem AMS, der Pensionskasse uvm. Also ging ich zu meinen für mich zuständigen Personalleuten und frug, wie denn der Antrag auszusehen habe. Man sagte mir, das kann ruhig formlos sein, Hauptsache ich würde ihn bezahlen, unten bei der Gebühreneinhebungsstelle. Meinetwegen dachte ich, wieso nicht, 2, 3 € für die Arbeit und vielleicht ist's ein schönes Papier mit Adler drauf. So schrieb ich nun den Antrag und ging hin zu besagtem Zimmer. Da „arbeiteten“ 3 Leute. Ich wurde vom 1. zur zweiten und von der zum dritten geschickt. Der verstand dann endlich, was ich genau wollte. Im Übrigen ließen alle 3 keinen Zweifel dran, dass ich für sie eine Störung in ihrem Büroalltag, der eigentlich darin bestehen sollte Geld auszubezahlen und einzuheben, denn sie waren die Rechnungsführer des Gerichts, darstellte und das ließen sich mich auch fühlen; es war ja schließlich schon kurz nach 3. Ich selbst bin ja jemand der wenn er irgendwo hingeht und was will versucht so höflich wie möglich zu sein. Wieso ich das angesichts dieser 3 aufrecht halten konnte, ist mir in Respektive rätselhaft.
Jetzt lagen die Karten auf dem Tisch. Die Leute wussten was ich wollte. Ich wusste die Leute wollten mich nicht. Die Leute wussten aber auch, dass es ihr Job war, zu tun was ich wollte, im Übrigen war es auch kein extrem ausgefallenes Begehren, dutzende Rechtspraktikanten arbeiteten täglich in dem Gebäude, und wohl der eine oder die andere konnten in Erfahrung bringen, dass sie nur auf Antrag eine Bestätigung erhielten.
„13 €“ sagte also der Mann, der das Geld einzuheben hatte.
13 €. Das war mein Stundenlohn für 2 Stunden und einige Minuten. Von den ca. 1900 Stunden die ich in der Justiz gearbeitete habe, hatte ich, ohne es zu wissen, über 2 Stunden nur gearbeitet, damit man mir nachher auch bestätigt, dass ich diese Arbeit tatsächlich geleistet habe. Eine Bestätigung, die sich eindeutig aus meinen Finanzakt und aus meiner Sozialversicherung ergibt und vielleicht nicht mal auf Adler- Papier gedruckt wird. Und die mir jeder private Arbeitgeber ohne zu Murren ausstellen muss. Wie dem auch sei, ich hatte nur 12,60 € dabei, wie ich nach Zählung feststellen musste
„Da muss ich wohl später wiederkommen“ sagte ich und blieb weiter freundlich dabei.
Mit einem Anflug von Entsetzen entgegnete mir der Mann, scheinbar der Chefgeldzähler hier „Aber doch wohl nicht heute!“, schließlich war es schon einige Minuten nach 15.00h und die Dienstzeit war ja, offiziell, nur bis 15.30h und Solidarität unter Justizmitarbeitern, also Bi-tte!
„Nein, keine Angst, heute sicher nicht mehr“ sagte ich und blieb weiter freundlich dabei.
Bestärkt, früh heimgehen zu können kam jetzt ein selbstbewusstes „Ich hab vor nichts Angst“. Ich hatte kurz den Reflex, die Hände zusammenzuschlagen und ihn mit glänzenden Augen anzuhimmeln, um zu sagen: “Daredevil, ohne deinen roten Latexanzug habe ich dich gar nicht erkannt!“
Aber ich verabschiedete mich, ging und blieb weiter freundlich dabei.
(Für alle die Daredevil nicht kennen eine kurze Erklärung: Daredevil ist ein Charakter aus der gleichnamigen Comicserie von Marvel. Er ist ein Anwalt, der als Junge durch einen Unfall mit radioaktiven Substanzen erblindete und dabei aber Superfähigkeiten erhielt. Er kämpft ihn New York's Hell Kitchen gegen organisiertes Verbrechen, Mörder usw. Der Untertitel des Comics und das Schlagwort, mit dem man ihn beschreibt ist „The Man without Fear“, also der Mann ohne Angst.)
Da ich aufgrund meiner Verhandlungen normalerweise nie vor 15.00h am Landesgericht war und ich mich nicht getraute, diesen Leuten nach 14.00h meine Aufwartung zu machen, konnte ich erst eine Woche später den Betrag begleichen. Zum Glück erinnerten sie sich nicht an mich und nachdem ich noch mal alles erklärt hatte, zahlte ich und bekam eine Bestätigung darüber. Die 13 € werde ich jedenfalls als Sonderausgaben oder Werbekosten von der Steuer absetzen! (Hoffentlich liest mein Sachbearbeiter am Finanzamt dies hier nicht).
Zurück aber zu Herrn K, dem ich in meiner Aufgabe als Bezirksanwalt und als solcher weisungsgebunden dienstlich vorwarf, eine Einrichtung eines Büros zerschlagen zu haben. Herr K sah sich, wie schon erwähnt, völlig im Recht. Aus purer Gemeinheit hatte ihm das AMS nämlich das Arbeitslosengeld für einige Wochen gestrichen, und er hatte ja noch gewarnt, wenn sie ihm das Geld nicht geben würde, dann würde er jetzt 1000 € Schaden verursachen (was ihm in Folge auch gelang). Wieso er nicht wegen schwerer Delikte auch noch dran war wie zB Drohung oder versuchte Nötigung, sogar ein versuchtes Raubdelikt hätte man ruhigen Gewissens andenken können, muss an der Großzügigkeit des Strafantrag- Schreibers gelegen haben.
Nun hatte ich also den entsprechend vergebührten Antrag für die Ausstellung meiner Amtsbestätigung, die für andere Ämter nachwies, dass ich als Bezirksanwalt Leute wie Herrn K getroffen hatte. Und ich hatte meine innere Ruhe. Also ging ich den Antrag abgeben. Vorausschauend, wie ich gelernt hatte zu sein, fragte ich auch gleich, wann, wie, wo ich denn die Bestätigung holen dürfte. Die zuständigen Damen, die immer sehr nett freundlich und sehr bemüht waren, wussten es leider nicht. Von Ihnen würde ich es jedenfalls nicht bekommen, sagten sie mir. Das war eine wichtige Information, weil ich war eigentlich sicher, dass ich ihn so, ganz klassisch auf dem Dienstweg bekommen würde. Wie gut dass ich gefragt hatte, sonst wäre ich gänzlich ratlos gewesen. Es hieß also, sich selbst drum kümmern.
Ich wartete noch eine Woche, erstens weil ich im Urlaub im Ausland war und weil ich zweitens nicht ganz ausschließen konnte, dass er nicht per Post kommen würde. Dann rief ich am Oberlandesgericht, welches für die Verwaltung und Zuteilung der Rechtspraktikanten zuständig war. Als Schlussfolgerung aus den bisherigen Erfahrungen war es offensichtlich auch für die Ausstellung solcher Bestätigungen zuständig. Ich rief bei der Vermittlung an. Die sehr nette Dame sagte mir, die zuständige Dame sei auf Urlaub, aber ihre Vertretung sei ja da. Ich rief diese Dame im Laufe eines Vormittags, an dem sie laut Auskunft unter dieser Nummer zu erreichen sei, viele Male an, jedes Mal ohne Erfolg. Einmal war besetzt und ich freute mich, offensichtlich war sie zurück! Aber auch der nächste Anruf war erfolglos, vermutlich hatte nur jemand anders, so wie ich, vergeblich versucht, die Dame zu erreichen.
11.00h vormittags war es aber so weit. Sie hob ab! Und, entgegen anderer Erfahrungen war sie eine sehr nette und auch kompetente Dame. Zunächst aber wollte sie mir erklären, wie denn das so sei, mit den 13€ und dem Antrag. Ich sagte, das hätte ich schon alles gemacht. Sie sagte, es stünde nicht im Register (in was für einem Register?). Ich beharrte, ich hatte das schon alles gemacht. Sie sah noch mal in der Mappe (in was für einer Mappe?) nach und da war die Bestätigung über meine 13€. Es hatte offensichtlich niemand ins Register (welches Register?) eingetragen. Das bedeute vor allem, es war noch nicht fertig, was aber auch egal war, weil ich es eh erst nach meiner Enthebung bekommen würde, also nächste Woche. Sie schrieb sich meine Nummer auf und sagte, sobald es Anfang Juli fertig sei, rufe sie mich an. Wie ich es dann bekommen würde, sagte sie mir nicht, aber das würde sie mir dann hoffentlich sagen. Zumindest wenn ich nochmals nachfragte.
Der Anruf kam nie. Allerdings war die Amtsbestätigung am Dienstag nach meiner Enthebung, also dem offiziellen Ende meiner Tätigkeit als Bezirksanwalt, in der Post. Mehr wollte ich nicht und ward zufrieden. Ein kleiner Wermutstropfen aber war, dass es nicht auf Adlerpapier war, einzig links oben prangte, über dem Schriftzug Republik Österreich das Vögelchen. Und gleich darunter stand als Memento: „Gebühr 13 Euro entrichtet“.
Schon während meiner Zeit als Bezirksanwalt kümmerte ich mich um die Zeit danach. Ich schrieb sehr viele Bewerbungen, ging zu Jobinterviews, führte Jobinterviews am Telephon, meldete mich bei 3 verschiedenen Jobvermittlungsstellen im Internetz an usw.
Auch schrieb ich lange im Voraus eine Email ans Arbeitsamt, was ich denn zu tun habe, damit ich dann gleich arbeitslos gemeldet sei.
Die Email wurde mir sehr rasch beantwortet. Mit einer Ausnahme, nämlich der Frage ob ich mich denn arbeitslos melden konnte, ohne diese Amtsbestätigung zu haben.
Die meisten Antworten im Email verwiesen auf Online- Formulare und Informationsblätter, die ich bei intensiverer Recherche auf der HP des AMS selber gefunden hätte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich offensichtlich noch sublime Berührungsängste und schickte lieber schnell ein Email, als lange dort zu verweilen.
Wie gesagt, das Email kam sehr rasch am nächsten Morgen, beantwortete fast alle Fragen. Außerdem beinhaltete es den Hinweis, dass meine Anfrage auch an die Zuständigen im Bezirks-AMS weitergeleitet worden waren. Und der Zuständige rief mich auch gleich noch am selben Vormittag an. Das nenne ich Service.
Leider war der Anruf vergebens, weil alle Antworten eben schon im Email standen und zur Amtsbestätigung, was sich im Übrigen dann eh von alleine regelte, konnte er mir auch nicht helfen.
Mein erster Besuch beim Arbeitsamt war wenig ausgiebig. Um eben gleich nach meiner Enthebungen arbeitslos zu sein, ging ich schon in der letzten Urlaubswoche hin, quasi als Voranmeldung.
Im Email, welches ich zuvor bekam, stand ja schon, wo und wie ich meine Daten online bekannt geben könnte, was ich dann auch tat. Inklusive Sozialversicherungsnummer meiner Frau und meinen bevorzugten Berufswünschen (da schrieb ich sinngemäß, „alles außer Anwalt“). Im weiteren bekam ich dann ein Email, wo drinnen stand, wo genau ich hinmusste, also welchen Stock, welches Zimmer usw. Das war äußerst hilfreich, ich konnte direkt hingehen als ob ich schon 100 mal dort gewesen wäre.
Dort angekommen lernte ich aufgrund der Aushänge, ich möge eine Nummer ziehen. Ich zog eine Nummer. 426. Der Mann neben mir hatte 527. Ich war etwas verunsichert.
Die Ansammlung an sonstigen Nummerninhabern war ein Querschnitt durch alle Alters- und die meisten Gesellschaftsgruppen, da gab es 15 jährige Mädels (die aussahen als ob sie Frisösen werden wollten) genauso wie ältere Herren (die aussahen, als ob sie die Termine die sie hier vor der Pension hatten schon abzählten) und alles dazwischen.
Nach nicht einmal einer Minute piepste es und ich war schon dran. Der Mann mit der 527 hatte bei der anderen Türe zu warten, so wie offensichtlich alle anderen auch. Die Zuständigkeit beim AMS erfolgt nach dem Geburtstag, offensichtlich war ich der einzige aus meinem Zeitabschnitt.
Man ist es ja sonst gewohnt, nach dem Nachnamen eingeteilt zu werden. Das AMS ist da offensichtlich anders, wieso auch immer. Im Grunde ist es ja sowieso nur Gewohnheitssache, es gibt eindeutig mehrere statistische Kennzahlen die zu einer gleichmäßigen Verteilung führen.
Herr K. in seinem Prozess behauptete ja, dass man ihm am AMS behandelt hätte, als sei er weniger als ein Mensch. Auch wenn jetzt Herr K. in seinem Selbstmitleid wohl übertrieben hatte, gänzlich wahrheitsfern waren seine Äußerungen diesbezüglich wohl nicht. Mit entsprechender Sorge ging auch ich in das Büro. Meine diversen Dokumente, die man mir gesagt hatte mitzunehmen, vom Meldezettel bis zur Heiratsurkunde, gerade noch kein Photo im Zebrakostüm, hatte ich alle fein säuberlich sortiert bei mir.
Ich vermute, ich war 2 – 4 min im Büro des jungen Mannes (Mitte bis Ende 20). Meine Dokumente wollte er nicht sehen, obwohl ich im verschiedene anbot. Meine Daten hatte er schon. Das einzige was er tat war, mir den online ausgefüllten Antrag auszudrucken und mit dem Hinweis zu geben, dass ich ihn daheim (!) unterschreiben sollte und das nächste Mal wieder mitbringen. Gemeinsam mit den Dokumenten und der oben angesprochenen Amtsbestätigung. Und er gab mir einen A5- Kartonzettel, wo drauf stand, wann ich wieder kommen sollte, wo er drauf unterschrieb dass ich heute da war. Kurz fragte er mich, was ich denn bis jetzt getan hatte, um einen Job zu suchen, worauf ich von meinen letzten Unternehmungen dazu berichtete. Seine Aufmerksamkeit konnte das nicht lange halten. Überhaupt war er keineswegs unnett, er wirkte nur so, als ob ich ihn unendlich langweile und hielt die Augen auch dementsprechend fast durchgehend auf seinen Monitor gerichtet (der aber offensichtlich auch unendlich langweilig war).
Die restlichen Urlaubstage und das Wochenende verflogen rasch. Nun war sie also da, die Zeit meiner offiziellen Arbeitslosigkeit. Meine Frau wollte renovieren, ich wollte meine Diss fertig schreiben, die Katze wollte Aufmerksamkeit. Und zu allem Überfluss hatte ich mir auch noch vorgenommen, ein einmonatiges Sommeruniprogramm zu vergleichendem Umweltrecht zu machen. Achja, eine Seminararbeit und eine Proseminarsarbeit mussten auch geschrieben werden und ein Tanzkurs als sportlicher Ausgleich musste auch noch dazu kommen. Der erste Monat meiner Arbeitslosigkeit war daher schon ausgebucht. Job suchen und AMS gehen musste ich ja auch noch. Die Sommeruni war zeitweise mühevoll und hatte nebenbei den Nebeneffekt, dass ich nun nicht mehr sicher bin, ob das mit Klimaänderung so schwarz auf weiß ist, wie man es uns weiß gemacht hat. Tragisch, alles viel zu komplex um in einem Menschenleben nachzuprüfen, was davon stimmt und was nicht.
Wenn die Leute nicht lügen würden, es wäre viel einfacher!
Herr K auf der anderen Seite, und zumindest dies, muss man ihm hoch anrechnen, log nicht. Er gab ja zu, die Sachen zerschlagen zu haben, weil eben aus purer Gemeinheit sein Arbeitslosengeld gestrichen war. Die Vorgeschichte war laut den AMS- Bediensteten (auch kein besonders schöner Job, wie ich glaube) wie folgt so, dass er bei 3 verschiedenen Fortbildungskursen jeweils nach dem ersten Tag angerufen habe und sich für den Rest des Kurses krankgemeldet hatte. Ob er einen ärztlichen Befund odgl brachte, kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern, ich gehe aber davon aus, dass nicht, wo wäre sonst das Problem gewesen?
Herr K jedenfalls widersprach dieser Darstellung auch gar nicht. Im Übrigen wirft das jetzt nicht so ein tolles Licht auf diese Kurse, wenn Arbeitslose die als Zeitverschwendung ansehen.
Wie gesagt bekam ich ja bei meinem ersten Besuch wie wohl Herr K auch beim AMS diesen Karton, wo stand, wann ich wieder kommen sollte. Nun war es so weit. Die Parteienverkehrszeiten des AMS waren 08.00h – 12.00h, die Sommeruni begann um 09.00h. Das hieß für mich, um 07.30h dort sein. Es erschien mir zwar etwas sehr vorsichtig, Arbeitslose, die anders als ich die Zeit genossen statt mit Aufgaben vollzupfropfen, würden wohl sicher ausschlafen, bevor sie zum AMS gehen, aber Vorsicht ist die Mutter usw. Außerdem hatte ich noch ein paar 100 Seiten zu lesen, das konnte ich ja in der halben Stunden weiterführen.
Um ca. 07.20h war ich dort. Noch 2 weitere Personen hatten, aus welchen Gründen auch immer, die selbe Idee gehabt, und warteten schon vor den noch fest verschlossenen Türen. Ich las mein Buch. Nach einiger Zeit öffnete man uns die Tür ins Gebäude, sehr nett vom AMS, hatten sie sich vermutlich im Winter angewöhnt. Wir, mittlerweile waren wir ca. 4 gingen hinein. Ich hatte insoferne Glück, als die anderen Leute zu anderen Stockwerken, Zimmern, Bereichen oder was auch immer mussten. So stand ich als einziger vor der Türe die für die erste Hälfte des Jahres (oder wann genau) zuständig war. Bis kurz vor 08.00h sammelte sich ein größeres Grüppchen von Leuten an, die sich alle hinter mir anstellen mussten (was mir, obwohl ich ja deswegen so früh gekommen war, doch irgendwie unangenehm war). Außerdem kamen vereinzelt die Mitarbeiter, die die Tür für sich aufsperrten und dann wieder schlossen.
Kurz vor 08.00h war's so weit. Die Tür wurde aufgesperrt. Mit bestimmten Schritt ging ich hindurch, nicht ohne am ca 4m langen Weg zum Nummern- Ausgabe- Automat von 2 Herren überholt zu werden, die sich auch gleich, noch bevor ich mich über deren Impertinenz amüsieren konnte, Nummern runterdrückten. Einem der beiden waren allfällige Unmutsrufe auch völlig egal, er nahm seine Nummer und war als erster dran. Der andere hingegen sah seinen Fehler ein und überließ mir seine Nummer (wobei es wohl Spekulation seinerseits war, dass ich die selbe brauchte, ich hätte ja auch in der anderen Hälfte resp Viertel oder was für eine Untereinheit auch immer sein können).
Trotz dieser Episode war ich kurz darauf im entsprechenden Amtszimmer (es sind nämlich mehrere Personen für den selben Abschnitt zuständig, ob man also 1. oder 2. ist, ist daher wurst). Diesmal bei einer Dame, die auch durchaus nett war und nicht so gelangweilt wie der Herr das letzte Mal.
Ich hatte es, unter Aufbietung aller Kräfte, geschafft den Antrag daheim erfolgreich zu unterschreiben und gab ihn ihr. Der Großteil der Zeit dort wurde damit zugebracht, den Antrag zu kontrollieren. Ich erzählte kurz von meinen bisherigen Bewerbungsbemühungen und (Miss-)Erfolgen, sie schaute im System nach und sagte, es gäbe keine Jobs für Juristen im Moment und damit war es auch schon wieder erledigt, ich konnte ohne Probleme rechtzeitg um 0900 dem Sommerunikurs beiwohnen.
Was mir bei beiden Besuchen beim AMS auffiel war, dass es unter den Arbeitslosen kaum Kommunikation gab, sie redeten nicht miteinander, fragten sich nie was und waren im Großen und Ganzen auch eher schlechter Stimmung. Inwiefern das repräsentativ war, kann ich natürlich nicht sagen, irgendwie ist es aber schade. In einer Zeitung las ich mal über eine Selbsthilfegruppe, die ältere Arbeitslose irgendwo ins Leben gerufen hatten.
Herr K. führte sein persönliches Scheitern auf sehr viele Umstände zurück. Allesamt Umstände die gänzlich und allesamt von außen gekommen waren, keinen den er selbst zu verantworten hatte. So sagte Herr K. auch, der österreichischer Staatsbürger war und so wie alle im Gerichtssaal einwandfreies Deutsch sprach, er fände keinen Job wegen des Rassismus, der ihm entgegenschlage. Es gibt sehr, sehr, sehr viele Gründe (und noch mehr) wieso Rassismus schlecht ist, aber dass sich Herr K. drauf ausreden kann ist keiner davon, er hat noch genug andere Gründe gefunden.
Wie gesagt, schon während meiner Zeit als Bezirksanwalt schickte ich viele Bewerbungen aus. Unter anderem auch einige an den Staat und seine Untereinheiten. Denn beim Staat, abgesehen von der Episode mit den 13€ für die Amtsbestätigung, hatte es mir sehr gut gefallen. Das Gehalt war zwar mäßig (sehr mäßig als Bezirksanwalt), die Arbeitszeiten aber menschlich. Der Staat war für alle da. Der gelegentliche Kampf mit der internen Bürokratie war zwar mühsam, aber irgendwie auch witzig. Und nicht zuletzt gab es wunderbare Anekdoten ab, mit denen man Freunde beim Mittagessen unterhalten oder schockieren konnte. So war es meine Bestrebung, weiter für den Staat zu arbeiten. Und so schickte ich diverse Bewerbungen an verschiedene Staatsstellen. Die eine wollte mich nicht, weil ich nur 1 Fremdsprache konnte, die andere nahm lieber wen mit mehr Berufserfahrung usw. Eine schrieb mir zurück, ich sollte einen Fragebogen ausfüllen weitere Zeugnisse einschicken. Der Fragebogen war sehr schlau, sie wollten wissen, wo ich meine Schwerpunkte gesetzt hatte und wie ich mich nach dem Ende meines Studiums am Stand des Wissens gehalten hatte. Außerdem war ein weiterer Fragebogen dabei, wo sie wissen wollten, welche Zeiten man mir anrechnen würde (Bundesheer, Studium udgl), falls ich genommen werde. Das gab mir Hoffnung.
Ich füllte alles aus und schickte es ein.
Nach einigen Tagen bekam ich eine Einladung zum schriftlichen (computerunterstützten) Eignungstest. Der Staat war sehr nett und nahm, ohne dass ich es gesagt hatte, sogar auf meine Sommerschule Rücksicht, der Termin kollidierte nämlich nicht obwohl die Sommerhochschule an 4 Tagen die Woche war. So ging ich hin und machte den Test mit 5 anderen BewerberInnen. Es waren diverse Fragen, juristisch, betriebswirtschaftlich, politisch, der Schwierigkeitsgrad war meines Erachtens durchschnittlich aber eben sehr breit gefächert und daher in Summe schwer. Vor dem Test sagte man uns, in 2 bis 3 Wochen würde man uns das Ergebnis mitteilen. Ich war als erster fertig, was mir etwas Sorgen bereitete und fuhr im Anschluss nach Hause. Nach dem Mittagessen bekam ich einen Anruf, ich hätte den Test geschafft und sollte demnächst zum Vorstellungsgespräch. Das Vorstellungsgespräch war recht streng geführt und dauerte fast eine Stunde. Da man mir schon im Vorfeld weiteres Informationsmaterial zukommen hatte lassen, war die einzige Frage, die ich im Anschluss noch hatte, wann ich denn erfahren würde, ob ich weiter stempeln gehen müsste oder nicht. In 2 bis 3 Wochen sagte man mir. Noch am selben Tag kam der Anruf, dass ich genommen worden war. Zwar war der Arbeitsbeginn erst in ein paar Wochen, aber vorher musste ich ja noch Dokumente vorlegen, einen Sprachtest machen, Seminararbeiten schreiben, Renovieren uvm. Den nächsten Termin beim Arbeitsamt musste ich nicht mehr wahrnehmen. Einzig der notwendige Strafregisterauszug überraschte mich, ich hatte keine Ahnung, wo ich einen herbekomme...
Herr K auf der anderen Seite war verurteilt worden. Da er schon mehrmals vorbestraft war, bekam er 4 Monate bedingt. Die Vorstrafen versuchte er im Prozess zu leugnen, weil er glaubte, da es Strafen unter 3 Monaten waren die auf dem Strafregisterauszug für den Dienstgeber nicht aufschienen, würde es das Gericht nicht wissen. Er nahm die Strafe an, wohl leider bestärkt im Glauben dass die ganze Welt sich gegen ihn verschworen hatte.
pantywaist - 26. Nov, 08:49
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