Olechowski: Was gegen die erweiterte Briefwahl spricht

Ao. Univ.-Prof. Dr. Mag. Thomas Olechowski, seines Zeichens Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, schrieb, als die erweiterte Briefwahl eingeführt wurde, im Mai 2007 einen Artikel in der Presse, wo er diese Entwicklung kritisierte. Der Artikel ist hier nachzulesen und soll hier kurz zusammengefasst werden. Besonders wichtig sind mir aber in diesem Zusammenhang die Schlussfolgerungen, die man daraus für das E-Voting treffen kann.

der Wählende hat nur „an Eides statt zu erklären, dass die Stimmabgabe persönlich und geheim erfolgt ist“. Wollen wir darüber rätseln, wie oft eine solche Erklärung überprüft werden wird? Sprechen wir es offen aus: Diese Erklärung ist genauso sinnvoll wie die von Touristen bei ihrer Einreise in gewisse Länder verlangte Erklärung, sie seien kein Mitglied einer terroristischen Vereinigung.

Was fällt beim E- Voting auf? Auf dieses Feigenblatt der eidesstattlichen Erklärung, dass die Wahlgrundsätze eingehalten wurde, wurde sogar verzichtet (soweit dies bis jetzt an die Medien ging).

In Wahrheit handelt es sich also um ein bewusstes Aufweichen des Prinzips des geheimen Wahlrechts [...] vielmehr [würden] die Bürger frei wählen können, ob sie geheim abstimmen oder nicht. Hier wird an einem Grundpfeiler der Demokratie gebohrt. Noch ist der Schaden überschaubar. [...] Und es stellt sich die Frage, wohin diese Entwicklung noch führen wird.

Bis jetzt hat diese Entwicklung mal zur Briefwahl bei den meisten Wahlen und vorerst zum E- Voting bei der ÖH- Wahl geführt.

Olechowski weist hier aber auf das allerwesentlichste Problem hin:
Der Bürger kann fortan frei wählen, ob er geheim abstimmt oder nicht.
Bei der klassischen Urnenwahl ist eine Kommission da inkl Ordnern, die dafür sorgen muss, dass auch nur jeder Versuch die Wahlgrundsätze im Ansatz aufzuweichen, unterbunden werden muss.
Mit der Briefwahl und noch mehr mit dem E-Voting kann man sich's aussuchen.

Es haben wohl schon viele Wählende erlebt, dass einen Frau/Mann/LebenspartnerIn/Eltern/Geschwister/beste FreundInnen fragen, was gewählt wurde "Mir kannst du's ja sagen". So schwer man sich dem im familiären Naheverhältnis, vielleicht auch Ungleichgewicht, entziehen kann, so kann - geheime Wahl sei dank - niemand nachprüfen, ob eine allfällige Antwort irgendwas mit der Realität zu tun hat.

Ist einmal der Briefwahlzettel zu Hause, ist es schon eine Stufe schwieriger auch einer gewünschten Bestätigung zu entgehen, aber man brauch nicht mehr als einen Stift und eine Lichtquelle dazu, notfalls also eingespert am Klo und ist es einmal versiegelt, war es das. Erstrebenswert ist das keinesweges.

Und mit dem E-Voting ist der nächste Schritt getan. Anders als den Briefwahlzettel geht es, hat man mal Lesegerät und Bürgerkarte, automatisch und man muss nicht mal zum Postkasten gehen. Komfortabler in jeder Richtung. Dass am Monitor dafür die lieben Angehörigen wesentlich einfacher zusehen können, nimmt man dafür doch viel eher in Kauf.

In den Anfangstagen des Parlamentarismus in Österreich existierte keine Pflicht zur Geheimhaltung der Wahl. Im Gegenteil: Die Wahlen erfolgten öffentlich, zumeist durch Handzeichen. Eine Geheimhaltung wurde vielfach als feige eingestuft – zu seiner politischen Überzeugung solle man offen stehen! Es ist hier kein Platz, die hunderten Fälle der Wahlmanipulation, Einschüchterung und Bestechung von Wählern anzuführen, die stattfinden mussten, bis sich die Überzeugung durchsetzte, dass die Wahl geheim stattfinden müsse, um ihre Freiheit sicherzustellen. Allgemein wurde das Prinzip der geheimen Wahl erst 1896 eingeführt. – Aber es sei auf jenes Plebiszit der jüngeren Vergangenheit hingewiesen, bei dem der Frage der Geheimhaltung entscheidende Bedeutung zukam: Der Volksabstimmung vom 10. April 1938 über den „Anschluss“. Sie brachte bekanntlich ein Ergebnis von 99,6% Ja-Stimmen, ein Ergebnis, das unter demokratischen Verhältnissen wohl kaum zustande gekommen wäre. Dabei war ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Volksabstimmung „frei und geheim“ stattfinden solle, die Stimmzelle sollte so beschaffen sein, „dass der Stimmberechtigte in der Zelle unbeobachtet von allen anderen im Stimmlokal anwesenden Personen den Stimmzettel ausfüllen und in den Umschlag geben kann“. Doch wurde das Gerücht im Umlauf gebracht, dass heimliche Kontrollen stattfinden würden. Wahlzellen wurden aufgestellt, aber wer hineinging, machte sich schon verdächtig. Vielfach wurden Wähler sogar mit mehr oder minder starkem Druck aufgefordert, doch gleich vor der Wahlkommission zu votieren. In manchen Ortschaften gerieten die Wahlen zu Volksfesten, bei denen die Stimmzettel offen auflagen...

Wie das ein befreundeter Historiker mal so schön erklärte: "Hier ist dein Wahlzettel, Volksgenosse. Du brauchst dich deiner deutschen Gesinnung jedoch nicht schämen, und kannst dein Ja sogleich hier, vor uns, ankreuzen."

Der Zustand von 1938 ist noch lange nicht erreicht, aber jeder Schritt, der in diese Richtung geht, ist gefährlich. Es ist Aufgabe der Verfassung, auch Vorkehrungen zu treffen für Fälle, die aus heutiger Sicht unwahrscheinlich, aber nie auszuschließen sind. Es ist Aufgabe der Politiker, Gefahren der Demokratie schon im Keim zu ersticken.

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